WIE MACHEN ES DIE NACHBARN?

Von Silke Lambeck

Innerhalb der Europas ist der geförderte Wohnungsbau höchst unterschiedlich vertreten und finanziert. Der Bedarf ist indes unbestritten: Die Mieten stiegen innerhalb der Europäischen Union von 2010 bis 2019 um 19 Prozent. Während die Eigentumsquote in Deutschland bei rund 47 Prozent liegt, ist sie in Frankreich bei 64 Prozent, in Italien bei rund 72 und in Rumänien gar bei 96,8 Prozent. Ein Blick auf die deutschen Nachbarländer:

Frankreich In Frankreich gibt es 694 soziale Wohnungsunternehmen - davon 220 private- und eine Gesellschaft zur sozialen Förderung des Erwerbs von Wohneigentum. Hier kommen 72 Sozialwohnungen auf 1000 Mieter – in Deutschland sind es derzeit 17. Allerdings suchen derzeit noch mehr als zwei Millionen Menschen in Frankreich eine Sozialwohnung – 200.000 von ihnen in allein in Paris. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo versucht aufgrund des sehr angespannten Wohnungsmarktes derzeit, Gewerbeflächen für Sozialwohnungen umzuwidmen- die Stadt möchte 60.000 Quadratmeter an sechs Standorten umwandeln. Weitere 7000 Wohnungen sollen hier jährlich neu gebaut werden. Bis 2025 müssen rund 25% der Wohnungen in Kommunen mit mehr als 3000 Einwohnern soziale Wohnungen sein. „Förderwohnungen“ sind für Menschen vorgesehen, die für Sozialwohnungen zu gut verdienen, sich aber trotzdem keine frei finanzierte Wohnung leisten können, deren Miete etwa in Paris bei durchschnittlich rund 35 Euro/Quadratmeter liegt.

Niederlande In den Niederlanden muss niemand ausziehen, weil sein Einkommen höher geworden ist, als es die Förderrichtlinien verlangen – wer einmal eine Sozialwohnung hat, darf dort wohnen bleiben, auch wenn er inzwischen mehr verdient. Ein Angebot, das viele Nutzen, denn der freie Wohnungsmarkt ist im Gegenzug weitgehend unreguliert . Rund zwei Drittel aller Mieter sind bei einer Wohnungsbaugesellschaft, nur 14 Prozent der Wohnungen werden rein privat vermietet. An begehrten Zielen wie Amsterdam sind zudem viele Wohnungen dem normalen Markt entzogen und werden als Ferienwohnungen vermietet. Die Nachfrage nach Sozialwohnungen ist daher mittlerweile deutlich höher als das Angebot und der Wohnungsmarkt ist angespannt – rund 13 Jahre muss man mittlerweile im Schnitt auf eine geförderte Wohnung warten, es müssten rund eine Million Wohnungen innerhalb der nächsten zehn Jahre gebaut werden. Ganze 60 Prozent der Niederländer wohnen allerdings ohnehin im Wohneigentum.

Schweiz In der reichen Schweiz ist der sogenannte gemeinnützige Wohnungsbau ein Verfassungsauftrag. Es gibt mehr als zweitausend gemeinnützige Bauträger, die insgesamt mehr als 185.000 Wohnungen besitzen, und zwar in genossenschaftlich organisierten Quartieren. Das sind rund 5% des gesamten Wohnungsbestandes. Bau und Vermietung sind dabei interessanterweise privatwirtschaftlich organisiert - allerdings können die Gesellschaften auf zinsgünstige öffentliche Darlehen zurückgreifen. Die Vermietung obliegt den einzelnen Genossenschaften, sie sind verpflichtet, die Wohnungen zur Kostenmiete abzugeben und können ihre Mieter selbst aussuchen. So entstehen auch zahlreiche gemischte Quartiere, wo etwa Kindertagesstätten, Pflegewohnen und Familien gemeinsam untergebracht sind.

Österreich In Österreich lebt rund ein Viertel aller Mieter im geförderten Wohnungsbau. Trotzdem beträgt die Wartezeit auf einen geförderte Wohnung derzeit rund 1,5 Jahre. Insbesondere die Hauptstadt Wien punktet traditionell mit mieterfreundlichen, geförderten Bauten, die durch das Konzept des gemeinnützigen Wohnungsbaus entstanden sind. Hier entstanden berühmte Siedlungen mit Gemeindebauten, so etwa die Karl-Marx-Höfe oder auch die von Harry Glück entworfenen Hochhäuser im Wohnpark Alterlaa, der auf den Dächern Pools bauen ließ. Gemeinnützig arbeitende Wohnungsunternehmen dürfen nur begrenzt Gewinne machen, müssen diese für den Wohnungsbau reinvestieren und sind von der Körperschaftssteuer befreit. Die Städte halten selbst Bauland vor und geben diese nur an Bauträger ab, die sich verpflichten, einen gewissen Anteil an Sozialwohnungen zu realisieren. So entstand etwa die Seestadt Aspern, wo innerhalb von sieben Jahren Wohnungen für 20.000 Menschen gebaut wurden. Viele davon sind gefördert und mit Balkons und Terrassen, grünen Außenanlagen und Saunen im Keller ausgestattet.

Polen Der öffentliche und kommunale Wohnungsbau in Polen wurde nach der Wende weitgehend privatisiert. Im Land herrscht trotz eines Neubaubooms ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Das trifft besonders jungen Menschen – rund 60% der Polinnen und Polen zwischen 18 und 34 Jahren leben bei ihren Eltern. In den 2000er Jahren vor allem Eigentumswohnungen, deren Erwerb durch eine steuerliche Subventionierung zur Eigentumsbildung unterstützt wurden. Der Anteil der geförderten Wohnungen lag mit rund vier Prozent sehr niedrig. Nun sollen in diesem Jahr rund 20.000 Sozialwohnungen gebaut werden. Sie entstehen als Mietwohnungen mit späterer Kaufoption. Dänemark Bis 2035 sollen in Dänemark rund 22.000 Sozialwohnungen entstehen. Zwischen 2010 und 2019 stiegen die Wohnkosten um 21 Prozent – damit hat das Land die höchsten Zuwachsraten in Europa. Allerdings hat Dänemark auch strenge Kriterien, wie und wo Sozialwohnungen entstehen sollen. Denn seit 2019 gibt es das sogenannte –innerhalb der Stadtplanung umstrittene - „Ghetto-Gesetz“. Jedes Jahr wird eine Liste mit Vierteln veröffentlicht, die einen hohen Anteil an Kriminalität und niedrige Einkommens-, Bildungs- und Ausbildungsniveaus haben. Teilweise werden in diesen Vierteln ganze Wohnblocks abgerissen und dann durch Neubau eine andere soziale Mischung geschaffen. Sozialwohnungen in Dänemark werden in drei Bereiche gegliedert und unterschiedlich finanziert - teils über direkte Förderung, teils über verbilligte Darlehen. Sozialwohnungen für Familien werden von Sozialwohnbaugenossenschaften betrieben, Sozialwohnungen für Senioren von Gemeinden, Regierungsbezirken und unabhängigen Genossenschaften; Sozialwohnungen für junge Menschen werden über andere Zuschüsse zur Mietminderung unterstützt. Silke Lambeck ist freie Autorin in Berlin.

Bilder: Europaflagge (© GBI Holding AG/ Pexels) Wohnungen in Paris (© GBI Holding AG/ Pexels) Wohnpark Alterlaa in Wien (© GBI Holding AG/ iStock)