ALTE MENSCHEN, JUNGE NACHBARN

Von Marcel Grzanna

Ein Donnerstagmorgen Mitte Mai: Endlich wieder intergeneratives Frühstück auf dem sogenannten Marktplatz im Anna Haag Haus: Senioren kommen einmal in der Woche mit Kindergartenkindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zusammen, um gemeinsam Marmeladenbrote oder gekochte Eier zu verspeisen.

Viele Wochen und Monate war die kollektive Mahlzeit wegen einer Mischung aus behördlichen Vorschriften, medizinischer Vernunft und großer Sorge nicht möglich. So lange eben, wie das Coronavirus einen tiefen Keil zwischen die Generationen rammte. Nicht nur in Familien, sondern auch in vielen Einrichtungen wie dem Mehrgenerationenhaus im Nordosten Stuttgarts, das den Austausch alter und junger Menschen zu einem zentralen Bestandteil seines sozialen Engagements gemacht hat. „Das war für alle eine belastende Zeit. Es ist schön zu sehen, dass sich die Umstände nun verbessern“, sagt Generationen- und Quartiersmanagerin Anna Rothmund.

Die regelmäßigen Begegnungen zwischen Alt und Jung seien für alle ein unbezahlbarer Gewinn. Die über 80 Senioren der Einrichtung würden durch die Integration geistig gefordert und inspiriert werden. Andersherum lernten junge Menschen, respektvoll, aber auch unbekümmert mit älteren Menschen umzugehen. „Die soziale Kompetenz unserer Kinder und Jugendlichen ist höher als anderswo, weil alle sehr darauf achten, wie man miteinander umgeht“, sagt Rothmund.

Das Mehrgenerationenhaus baut seit der Eröffnung im Jahr 2007 die Brücke von seinen meist pflegebedürftigen Bewohnern zu Kindern aus der Nachbarschaft und Dutzenden Auszubildenden aus sozial schwächeren Strukturen. Kita und Berufsförderung befinden sich mit den Wohnbereichen der Senioren unter einem Dach - barrierefrei, um den Senioren größtmöglichen Bewegungsspielraum zu ermöglichen.

Corona hat auch hier das soziale Miteinander erschwert, die Existenz des Projekts aber nicht gefährdet. Eine öffentliche Förderung findet jedoch auch in Essen nur im Rahmen der üblichen Sozialpolitik statt. Nur wer ohnehin Sozialleistungen bezieht, zahlt hier weniger Miete. Wer über ein festes Einkommen verfügt, zahlt den vollen Mietpreis.

Ansätze, die das Zusammenleben zwischen den Generationen fördern und vor allem ältere Menschen besser integrieren sollen, gibt es in Deutschland bereits seit einigen Jahrzehnten. Schon 2005 vermittelte das Projekt Wohnen für Hilfe (WfH) erstmals Studenten als Mitbewohner:innen für Haushalte von Senioren. Pro Quadratmeter Wohnfläche müssen die angehenden Akademiker ihren betagten Vermietern eine Stunde pro Monat für sogenannte alltagsnahe Dienstleistungen zur Verfügung stehen: Besorgungen machen, gemeinsame Zeit verbringen oder Behördengänge. Dazu kommt ein entsprechender finanzieller Anteil an den Wohnnebenkosten.

„Wir würden gerne noch mehr solcher Angebote schaffen, aber das übersteigt unsere finanziellen Möglichkeiten“, sagt Mareike Schulz vom Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet e.V. (VKJ). Der Verein betreibt normalerweise Kindertagesstätten in Essen und Mühlheim, viele davon kombiniert mit Seniorenheimen auf den gleichen Grundstücken, um Ältere mit den Kindern in Kontakt zu bringen und sie punktuell in die Betreuung der Kinder zu integrieren.

Die Corona-Pandemie hat auch den Erfolg von WfH zurückgeworfen. In Köln habe man nur noch rund die Hälfte an Wohnverhältnissen vermitteln können, sagt Wiegeler. Die Angst vor einer Ansteckung hat viele Wohnraumanbieter:innen abgeschreckt. Gleich mehrere WfH-Projekte haben sogar ihr Engagement eingestellt. Oft hakt es an der Finanzierung. In Köln beteiligen sich die Stadt und die Universität gleichermaßen, um eine ganze Planstelle für das Projekt zu ermöglichen. Der sinkende Bedarf an Vermittlung seit den Einschränkungen durch Corona hat in Rostock oder Oldenburg dagegen zu einem abrupten Ende von WfH geführt, weil die Finanzierung nicht mehr gerechtfertigt werden konnte.

Geführt wird das Haus von einem gemeinnützigen Verein. Drei Tochtergesellschaften unterstützen die Angebote des Hauses, darunter die Anna Haag Stiftung, die sich für Spenden und Fördermittel einsetzt. Beispielsweise fördert das Bundesprogramm "Mehrgenerationenhaus. Miteinander - Füreinander" des Bundesfamilienministeriums von 2021 bis 2028 bundesweit rund 530 Mehrgenerationenhäuser. Wie im vergangenen Jahr gewährt das Programm auch im Jahr 2022 Zuschüsse von 10.000 bis 40.000 Euro pro Einrichtung. Der Etat war wegen der Corona-Pandemie um zehn Millionen Euro aufgestockt worden.

Tagsüber herrscht hier jetzt wieder reger Betrieb im Haus. Kinder besuchen spontan die Wohnbereiche der Alten, malen oder backen etwas zusammen. Jugendliche arbeiten als Praktikanten in der Pflege oder in der hauseigenen Reinigung und plauschen mit den Bewohnern. Zur Pause trifft man sich im integrierten Café, an manchen Abenden zu Kunst- oder Kulturveranstaltungen. „Die Teilnahme an allen Angeboten beruht auf Freiwilligkeit“, sagt Rothmund. Niemand sei gezwungen, sich unter die Leute zu mischen. In den Abendstunden und an den Wochenenden kehrt dann Ruhe ein im Haus, und die Senioren bleiben unter sich.

Ansätze, die das Zusammenleben zwischen den Generationen fördern und vor allem ältere Menschen besser integrieren sollen, gibt es in Deutschland bereits seit einigen Jahrzehnten. Schon 2005 vermittelte das Projekt Wohnen für Hilfe (WfH) erstmals Studenten als Mitbewohner:innen für Haushalte von Senioren. Pro Quadratmeter Wohnfläche müssen die angehenden Akademiker ihren betagten Vermietern eine Stunde pro Monat für sogenannte alltagsnahe Dienstleistungen zur Verfügung stehen: Besorgungen machen, gemeinsame Zeit verbringen oder Behördengänge. Dazu kommt ein entsprechender finanzieller Anteil an den Wohnnebenkosten.

In rund zwei Dutzend Städten hat WfH insgesamt mehr als 4000 Untermieter:innen vermittelt. „Manchmal entstehen regelrechte Freundschaften und die Studenten leben jahrelang in der Wohnung der Senioren. In anderen Fällen passt es nicht so gut, und die Parteien gehen schnell wieder getrennte Wege“, sagt Sandra Wiegeler von der Uni Köln, wo WfH einst ins Leben gerufen wurde.

Die Corona-Pandemie hat auch den Erfolg von WfH zurückgeworfen. In Köln habe man nur noch rund die Hälfte an Wohnverhältnissen vermitteln können, sagt Wiegeler. Die Angst vor einer Ansteckung hat viele Wohnraumanbieter:innen abgeschreckt. Gleich mehrere WfH-Projekte haben sogar ihr Engagement eingestellt. Oft hakt es an der Finanzierung. In Köln beteiligen sich die Stadt und die Universität gleichermaßen, um eine ganze Planstelle für das Projekt zu ermöglichen. Der sinkende Bedarf an Vermittlung seit den Einschränkungen durch Corona hat in Rostock oder Oldenburg dagegen zu einem abrupten Ende von WfH geführt, weil die Finanzierung nicht mehr gerechtfertigt werden konnte.

Das Tanja-Ubländer-Haus in Essen muss ebenfalls aus eigener Kraft sein Mehrgenerationenhaus verwalten. Das Gebäude ist das bundesweit erste, in dem die Wohneinheiten bewusst mit Senior:innen einerseits und meist sehr jungen, alleinerziehenden Müttern oder Vätern andererseits zusammenleben. Die Idee hinter dem Konzept: Die Alten sollen durch den Kontakt mit den Jungen vor Vereinsamung bewahrt, die Alleinerziehenden bei der Kinderbetreuung von den Alten unterstützt werden.

„Wir würden gerne noch mehr solcher Angebote schaffen, aber das übersteigt unsere finanziellen Möglichkeiten“, sagt Mareike Schulz vom Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet e.V. (VKJ). Der Verein betreibt normalerweise Kindertagesstätten in Essen und Mühlheim, viele davon kombiniert mit Seniorenheimen auf den gleichen Grundstücken, um Ältere mit den Kindern in Kontakt zu bringen und sie punktuell in die Betreuung der Kinder zu integrieren.

Doch das Mehrgenerationenhaus verlangt einen besonderen Aufwand. Familienhilfe für die Alleinerziehenden oder Mediation bei Konflikten im Wohnhaus kosten Zeit und Geld, das es auch von der Verwaltung nicht gibt. So bleibt es für den VKJ zunächst bei dem Leuchtturmprojekt im Stadtteil Freisenbruch.

Corona hat auch hier das soziale Miteinander erschwert, die Existenz des Projekts aber nicht gefährdet. Eine öffentliche Förderung findet jedoch auch in Essen nur im Rahmen der üblichen Sozialpolitik statt. Nur wer ohnehin Sozialleistungen bezieht, zahlt hier weniger Miete. Wer über ein festes Einkommen verfügt, zahlt den vollen Mietpreis.

Die regelmäßigen Begegnungen zwischen Alt und Jung seien für alle ein unbezahlbarer Gewinn. Die über 80 Senioren der Einrichtung würden durch die Integration geistig gefordert und inspiriert werden. Andersherum lernten junge Menschen, respektvoll, aber auch unbekümmert mit älteren Menschen umzugehen. „Die soziale Kompetenz unserer Kinder und Jugendlichen ist höher als anderswo, weil alle sehr darauf achten, wie man miteinander umgeht“, sagt Rothmund.

Marcel Grzanna lebt als freier Autor in Köln.

Bilder: Essenzubereitung (© GBI Holding AG/ Pexels), Außenaufnahme (© Anna Haag Mehrgenerationenhaus)